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,Evaluationsbericht “MUS-E Modellschule”

Bei Kindern sind künstlerische Betätigungen, also Musikmachen, Tanzen, Malen Schauspielern, Body language, ganz entscheidend zur Entfaltung einer besseren Lebenskultur.
Yehudi Menuhin

Diesem Menschenbild folgend, fördert die Yehudi Menuhin Stiftung in dem Projekt MUS-E Schülerinnen und Schüler durch Kunst. KünstlerInnen arbeiten mit SchülerInnen.

Seit 2006 geht die Stiftung noch einen Schritt weiter. Die „transformative Kraft“ der Kunst wird in die Schulentwicklung eingesetzt. KünstlerInnen setzen ihre Methoden ein, das Profil der Schulen zu schärfen.

Kann Kunst in Schule als Modell für „ein neues Lernen“ dienen? Können künstlerische Strategien den Lehrenden z.B. in der Konflikbearbeitung vermittelt werden?
Das Projekt ‚MUS-E Modellschule’ wird an neun Grundschulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. KünstlerInnen setzen dort zusammen mit den Lehrenden ihre Konzepte der Schulentwicklung um.

Das ibbw führte für dieses Projekt eine qualitative Evaluation durch. Im Mittelpunkt stand dabei der von den KünstlerInnen und LehrerInnen gestaltete Lehr- /Lernprozess. Insbesondere mit ausführlichen Interviews wird das angestrebte ‘ästhetische Lernfeld’ erforscht.

  • Wie sieht die Zusammenarbeit der Professionen aus? Werden Strategien ausgetauscht? Werden neue Haltungen entwickelt? Entwickelt sich ein ästhetisches Lernfeld, das von beiden getragen wird?
  • Ist es sinnvoll, künstlerische Methoden als Werkzeug und KünstlerInnen als zentrale Personen in der Schulentwicklung einzusetzen?

 

Ergebnisse – Kurzfassung

In dem Projekt MUS-E arbeiten KünstlerInnen mit SchülerInnen zusammen. Das MUS-E Projekt wird von der Yehudi Menuhin Stiftung durchgeführt. Um die Nachhaltigkeit des künstlerischen Einflusses zu stärken, wurde zusätzlich das Projekt MUS-E-Modellschule entwickelt. In diesem Projekt arbeiten KünstlerInnen als SchulentwicklerInnen in ausgewählten Grundschulen. Ein zentrales Projektziel ist die Entfaltung einer künstlerischen Haltung bei den Lehrkräften.

Der Auftrag an das Institut für berufliche Bildung und Weiterbildung (ibbw) bestand in einer externen begleitenden Evaluation der zehnmonatigen Erprobungsphase des Projektes.

Den Akteuren an den Schulen wurde zur Erprobung unterschiedlicher Vorgehensweisen ein großer Freiraum eingeräumt. Entsprechend vielfältig und vielschichtig waren die Prozesse an den Schulen.

Die Aufgabe der Evaluation (vgl. Kap. 3) gliederte sich demzufolge in zwei Bereiche:

  • Die Perspektiven der wesentlichen Akteursgruppen (Projektleitung, Kollegium und künstlerische Begleitung) werden dargestellt. Dabei geht es darum, einerseits der Vielfalt der Ansätze gerecht zu werden, die Prozesse zu beschreiben und gleichzeitig die zentralen Merkmale herauszuarbeiten.
  • Günstige Bedingungen für das Erreichen der Projektziele zu identifizieren und zu benennen. Für diese Fragestellungen bietet sich ein qualitatives Verfahren mit narrativen Interviews an (vgl. Kap. 3.2). Auf der Basis der so generierten Daten werden für die verschiedenen Perspektiven der Akteursgruppen beschreibende und analytische Modelle entwickelt. Die Modelle sind auch ein Angebot, die projektinterne Orientierung zu schärfen. Auch die Elemente des Gelingens werden mit Bezug auf diese Modelle analysiert.

 

Modelle

Projektleitung: Veränderungsmodelle

Die Gestaltung des Schulentwicklungsprozesses hat sowohl in Bezug auf das Ziel (Entfaltung einer künstlerischen Haltung) als auch in der Methode (künstlerische Mittel) einen hohen innovativen Charakter. Zur Koordinierung dieser Aspekte konnten bei der Projektleitung drei orientierende Veränderungsmodelle identifiziert werden: „Imitation“, „Kreation“ und „Entfaltung“ (vgl. Kap. 5). Die Modelle unterscheiden sich in der Vorstellung von Veränderung, aber auch der Aufgaben der Akteure. Der Projektleitung ist das Modell der „Entfaltung“ (Kap. 5.3) besonders wichtig. Nach diesem Modell ist die künstlerische Haltung kein spezifisches Merkmal von KünstlerInnen, das per „Vermittlung“ an die Lehrkräfte weiterzugeben wäre. Vielmehr ist es eine Qualität, die allen Menschen zu eigen ist. Ein gelungener Veränderungsprozess zeichnet sich demzufolge durch eine Interaktion aus, in dem die künstlerische Begleitung es den Lehrkräften ermöglicht, eine eigene Qualität der künstlerischen Haltung zu entfalten.

Kollegium: Typen der Entfaltung

Der so initiierte Veränderungsprozess stellt sehr hohe Ansprüche an das Kollegium und wird entsprechend der Unterschiedlichkeit der Personen auch verschieden interpretiert. Die Bedeutungen, die dem Prozess mit den Potentialen und Grenzen zugeschrieben werden, werden in vier Typen (vgl. Kap. 6) zusammengefasst.

  • Distanziert (Kap. 6.1): Bei diesem Typ liegt eine starke Identifikation mit der Struktur der Schule vor. Die Arbeit der Künstlerinnen wird wohlwollend betrachtet, aber nicht auf die eigene Arbeit bzw. Person bezogen. Die künstlerische Haltung erscheint als etwas Fremdes.
  • Zaghaft (Kap.6.2): Die künstlerische Haltung erscheint als etwas Sinnvolles, aber es werden immer auch die Grenzen der eigenen Person und Rolle betont. In dieser ambivalenten Orientierung wird Veränderung nur im Zusammenhang mit ausgeprägten Sicherheit stiftenden Maßnahmen akzeptiert.
  • Begeistert (Kap. 6.3): Von diesem Typ wird die Entfaltung als Befreiung von den strukturellen Zwängen erlebt. In der Identifikation mit den künstlerischen Impulsen wird der Veränderungsprozess schnell vorangetrieben.
  • Vorausgehend (Kap. 6.4): Hier wird der Kunst für die eigene Person und Arbeit eine große Bedeutung zugeschrieben. Das Augenmerk liegt hier aber auf der Veränderungsfähigkeit und Unterstützung durch die schulische Struktur.

KünstlerInnen: Typen der Begleitung

Ein breites Netzwerk unterstützt die Entwicklung im Kollegium. Eine besondere Stellung nehmen hier die Künstlerische- und Pädagogische Projektleitung (PPL) an den Schulen ein. Insbesondere die Künstlerische Projektleitung (KPL) prägt den Prozess. Die Stärke der Erprobungsphase liegt darin, dass die eingesetzten Methoden, aber auch ihr Selbstverständnis von Begleitung und ihre Gestaltung der Beziehung zum Kollegium sehr unterschiedlich sind. Im Folgenden werden vier Typen der Begleitung genannt (vgl. Kap. 7). Diese Typen sind nicht personengebunden, sondern beschreiben Ausprägungen von Beziehungsformen, die vorkommen, aber durchaus im Projektverlauf wechseln können.

  • Parallel: Die Fremdheit zwischen der Welt der Lehrkräfte und die der KünstlerIn steht hier im Vordergrund. Die Distanz wird oft thematisiert und viel Energie fließt in die Vermittlungsversuche bzw. die Kontaktaufnahme.
  • Konflikthaft: Beide Seiten befinden sich in einem intensiven Aushandlungsprozess, in dem sie ihre Konflikte thematisieren. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit werden so bearbeitet.
  • Aktionsorientiert: Das Kollegium lässt sich auf die zahlreichen Aktivitäten der Begleitung ein. Dies ist eine sehr dynamische Form der Begleitung.
  • Strukturorientiert: Die KünstlerInnen gehen auf die sicherheitsorientierten Bedürfnisse der Lehrkräfte ein. Die Grenzen der jeweiligen Verortung (Kap. 5) werden sehr ernst genommen. Kleine gemeinsame Schritte sind hier der Maßstab.

 

Gelingensbedingungen: Günstige Rahmenbedingungen

Zur Entfaltung einer künstlerischen Haltung bei den Lehrkräften gibt es zahlreiche und je nach den konkreten Personen und Situationen unterschiedliche förderliche Bedingungen (vgl. Kap. 8). Grundsätzlich geht es darum, gemeinsam einen Interaktionsraum zu konstruieren, in dem die künstlerische Haltung zum Ausdruck kommen kann und der vom Kontakt zwischen den Lehrkräften und den KünstlerInnen getragen wird.

Die Akteure fördern diesen Prozess:

  • Schulleitung: Für die Entfaltung scheint es wichtig zu sein, dass sich die Schulleitung stabilisierend um den äußeren institutionellen Rahmen kümmert. Sie sorgt für die notwendigen Ressourcen und macht dem Kollegium deutlich, dass das Projekt für die Schulentwicklung von zentraler Bedeutung ist. Engagement im Projekt wird von ihr positiv reflektiert.
  • Künstlerische Projektleitung: Sie ist die gestaltende Kraft und bringt die zentralen Impulse. Förderlich ist es, wenn es ihr gelingt, ihr eigenes Profil mit ihrer künstlerischen Haltung auszudrücken, in diesem Ausdruck irritierend zu bleiben und gleichzeitig die Anknüpfungspunkte zur Welt des Kollegiums zu berücksichtigen. Diese Spannung auszuhalten ist ein wichtiges Gütekriterium. Es hat sich dabei gezeigt, dass die Beachtung der Anknüpfungspunkte mit niederschwelligen und kleinschrittigen Angeboten für das Sicherheitsbedürfnis im Kollegium sehr wichtig sein kann.
  • Kollegium: Wenn die Lehrkräfte einen Nutzen für den Unterricht, für den Umgang mit SchülerInnen, aber auch für die eigene Person sehen, ist dies eine gute Voraussetzung. In dem Maße wie sie sich auf den Kontakt mit den KünstlerInnen einlassen, sich den Impulsen öffnen und gleichzeitig beim eigenen Profil bleiben, eröffnen sich Veränderungsmöglichkeiten.
  • Projektleitung: Hier hat sich die überschulische Moderation und Fortbildungstätigkeit für die Künstlerische und Pädagogische Projektleitung mit der Schulleitung zusammen als sehr sinnvoll erwiesen.

 

Indikatoren

Wie die „Typen der Entfaltung“ verdeutlichen, können je nach Person die einzelnen Schritte der Entfaltung innerhalb dieser Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich aussehen. Zahlreiche Indikatoren zeigen aber, dass die gute Abstimmung der genannten Akteursgruppen der Entfaltung der künstlerischen Haltung sehr förderlich ist. Nur ein paar Beispiele:

  • Die LehrerInnen zeigen häufig eine ausgesprochene selbstreflexive Einstellung, in der sie die Möglichkeiten der künstlerischen Herangehensweise positiv betonen.
  • Sie lassen sich insbesondere in den Fortbildungen auf künstlerische Methoden ein: sie malen, tanzen, trommeln und spielen Theater. Dieser künstlerische Ausdruck geschieht gemeinsam mit den KollegInnen, aber auch mit den SchülerInnen.
  • Über die Kunst wird ein neues Wir-Gefühl im Kollegium hergestellt, das positiv bewertet wird.
  • Es werden auch Veränderungen in der professionellen Beziehung zu den KünstlerInnen sichtbar. Die Fremdheit wird schrittweise durch eine Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Orientierung abgelöst.
  • Auch der Bezug zu eigenen kreativen Anteilen ändert sich: Die ProbandInnen benennen neue Zugänge zu diesen Bereichen und versuchen sie in die eigene Berufsbiographie zu integrieren.
  • Einige LehrerInnen beschäftigen sich intensiv mit der Frage, wie sie die eigenen Erfahrungen auf ihre Unterrichtsgestaltung anwenden können und welche Änderungen in ihrem Rollenverständnis als LehrerIn sie vornehmen wollen.
  • Es gibt aber auch LehrerInnen, die ganz konkret Methoden einer künstlerischen Perspektive in ihren Unterricht integrieren, die z.B. Elemente des Theaters in den Mathematikunterricht aufnehmen oder aggressives Verhalten mit Hilfe der Trommel bearbeiten.
  • Sie äußern ihre Zufriedenheit über bessere bzw. alternative Zugänge zu SchülerInnen und bisher als schwierig erlebte Unterrichtssituationen.
  • Trotz Widerstände und noch vorhandener Schwierigkeiten stellte niemand das Projekt in Frage. Vielmehr wurde mehrfach die Wichtigkeit der künstlerischen Perspektive für die SchülerInnen, aber auch für die Schule betont.

 

Schlussfolgerungen

Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen mit Kunstprojekten an Schulen, aber auch in Bezug auf die Forderungen nach Intuition und Innovation in der Wirtschaft, kommt dem künstlerischen Bereich eine große Bedeutung zu. Es ist nur konsequent, auch im Bereich der Schulentwicklung die Möglichkeiten der künstlerischen Perspektive zu erproben.

Die Erprobungsphase von MUS-E–Modellschule zeigt die großen Potentiale, die hier liegen. Zehn Monate sind für dieses tiefgreifende Veränderungsprojekt ein zu kurzer Zeitraum. Trotzdem kann schon jetzt gesagt werden, dass die Irritationsmöglichkeiten der Kunst, aber auch die Fähigkeiten, Neues zu bilden, sich sehr fruchtbar für die Schulen auswirken. (vgl. Kap. 9)

Eine kunstorientierte Schulentwicklung vereint eine systemisch–konstruktivistische Perspektive mit einer künstlerischen Haltung und kann somit neue Wege an reformwilligen Schulen gehen. Schon allein das sich so entwickelnde neue kunstorientierte Fortbildungskonzept (vgl. Kap. 9.7) zeigt, wie wichtig es ist, diesen Weg weiter zu beschreiten. Für die Behauptung der künstlerischen Perspektive im Bereich der Schulentwicklung wird es bedeutsam sein, sich noch genauer im Spannungsfeld zwischen soziologisch bzw. pädagogisch orientierten Ansätzen auf der einen Seite und therapeutisch orientierten Ansätzen auf der anderen Seite zu verorten.

 

Ergebnisse – Download

Der Bericht „Evaluation der Erprobungsphase des Projektes ‚MUS-E Modellschule‘“ steht hier zum Download zu Verfügung.

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